Die Apple Vision Pro ist das „One More Thing“ der letzte Apple-WWDC – und die Frage ist nicht nur, ob sie hält, was Apple verspricht, sondern auch für welche konkreten Praxiseinsätze sie sinnvoll sein könnte – gerade auch im professionellen Service-Einsatz. Die KVD-Redaktion hat sich mit dem neuen Apple-Gerät beschäftigt und Szenarien zusammengestellt.
Was ist die Apple Vision Pro?
Zunächst einmal zum Gerät selbst: Die Apple Vision Pro ist ein Mixed-Reality-Headset, das Anfang 2024 zum Preis von aktuell 3.499 US-Dollar verfügbar sein soll. Die Apple Vision Pro ist eine Brille mit einer Glasfront und einem Aluminiumrahmen. Im Inneren befinden sich fünf Sensoren, zwölf Kameras und Displays für jedes Auge, die zusammen eine Auflösung von 23 Millionen Pixel bieten und somit den 4K-Standard übertreffen. Die Technologie wird durch Lüfter an den Seiten gekühlt, während der modulare Aufbau eine Anpassung an verschiedene Gesichtsformen und Kopfgrößen ermöglicht. Brillenträger können spezielle Einsätze von Zeiss nutzen. Die Brille wird über einen externen Akku mit einer Betriebsdauer von bis zu zwei Stunden betrieben und kann bei Bedarf mit externer Stromversorgung länger genutzt werden. Die EyeSight-Funktion projiziert die Augenpartie des Nutzers in bestimmten Situationen auf ein externes Display der Brille, um eine natürliche Wahrnehmung zu gewährleisten. Die Kameras ermöglichen zudem die Aufnahme von 3D-Videos. Die Apple Vision Pro nutzt den Apple-M2-Chip sowie den speziell entwickelten Apple-R1-Chip. Wie das technisch funktioniert, kann man hier bei Mixed nachlesen.
Jetzt den Apple-Teaser anschauen:
Die Brille läuft auf dem neuen Betriebssystem visionOS, das bekannte Elemente aus anderen Apple-Betriebssystemen wie iOS verwendet. Apple spricht hier vom ersten räumlichen Betriebssystem. Standardmäßig wird die Brille im Augmented-Reality-Modus genutzt, wodurch der Benutzer seine reale Umgebung sieht und virtuelle Elemente in diese Umgebung projiziert werden. Anwendungen können beispielsweise durch Anschauen und Aktivieren mittels Fingergesten ausgewählt werden. Sprachbefehle sind ebenfalls möglich. Apple plant, von Anfang an die Kompatibilität mit Macs, iPhone- und iPad-Apps sicherzustellen – mehr dazu hier bei Heise.
Zusätzlich zu den Apple-Apps wie Safari, Fotos, Notizen, Mail und Keynote wird die Apple Vision Pro zum Start über 100 kompatible Spiele von Apple Arcade anbieten, die auch mit externen Bluetooth-Controllern gespielt werden können. Disney+ wird ebenfalls verfügbar sein, und Anwendungen wie Microsoft Office (Word, Excel, Teams), Zoom, Cisco Webex und Adobe Lightroom sollen unterstützt werden. Mehr zu den Potenzialen gibt’s hier bei MeTacheles.
Wie lässt sich die Apple Vision Pro im professionellen Service-Einsatz nutzen?
Zunächst einmal fallen einem eher klassische Einsatzmöglichkeiten im professionellen technischen Service ein:
- Diagnose und Fehlerbehebung: Die Technologie kann verwendet werden, um hochauflösende Bilder und Videos von defekten Geräten oder Systemen aufzunehmen. Dies ermöglicht Technikern eine detaillierte visuelle Analyse, um Probleme zu identifizieren und effektive Lösungen zu finden.
- Remote Service: Mit der Apple Vision Pro können Techniker visuelle Anleitungen und Unterstützung in Echtzeit bereitstellen. Benutzer können ihr Problem über die Kamera ihres Geräts zeigen, während der Techniker Anweisungen und Schritte zur Behebung des Problems gibt. Dies erleichtert den technischen Support, insbesondere bei komplexen oder schwer zugänglichen Systemen.
- Schulungen und Trainings: Das XR-Gerät kann natürlich für Schulungen und Trainings von Technikern verwendet werden. Durch hochwertige visuelle Inhalte lassen sich komplexe Verfahren und Reparaturen veranschaulichen und leichter verständlich machen. Dies kann die Effizienz und Genauigkeit von Service-Technikern verbessern.
Konkreter könnte man an folgende Szenarien denken, die bisher eher nicht mit AR- und VR-Lösungen in Verbindung gebracht wurden (zumindest nicht primär):
- Dokumentation und Berichterstattung: Die Apple Vision Pro ermöglicht es Technikern, visuelle Aufnahmen von durchgeführten Arbeiten zu erstellen. Diese Aufnahmen können als Teil von Dokumentationen und Berichten verwendet werden, um den Zustand von Geräten vor und nach Reparaturen zu zeigen und den Serviceverlauf zu dokumentieren.
- Komplexe Bildschirmarbeit: Die Vision Pro wird sich mit Macs, iPas und iPhones verbinden – sie wird sozusagen zu einer riesigen Displayerweiterung des bisherigen Bildschirms. Das erweitert die Möglichkeiten für komplexe Büroarbeit, für die mehrere Bildschirme zum Einsatz kommen, zum Beispiel beim Field Service Management oder auch bei Leitständen in Kraftwerken oder komplexen technischen Anlagen. Auch im kreativen Umfeld von Service-Marketing oder Produktentwicklung würden sich so deutliche Mehrwerte anbieten – bei Konzeption, Layout, Bildbearbeitung oder Videoschnitt.
- Entwicklung von digitalen Services: Klar, eine neue Lösung wie die Vision Pro eröffnet auch den Raum für neue digitale Services. Die Brille wird potenzielle Anwendungsszenarien bieten, für die Smart Services entwickeln werden. Und die neuen Möglichkeiten eröffnen natürlich auch eine neue Welt für Entwickler: Bekannte Tools und Frameworks wie Xcode, SwiftUI, RealityKit und ARKit sind da die Grundlage, dazu kommt die Unterstützung von Unity und der neuen 3D-App Reality Composer Pro – da wird sich sprichwörtlich viel bewegen.
Wo sind die Mehrwerte zu bisherigen Lösungen?
Gerade die Ausstattung mit optischen Geräten wie den Kameras wird Mehrwerte gegenüber bisherigen AR-Brillen bieten. Und das Handsfree-Prinzip bietet Vorteile gegenüber iPad und iPhone. Man navigiert im Prinzip nur mit den Augen, Gesten und der Stimme, muss aber dazu kein Gerät festhalten, sondern hat die Hände frei für die eigentliche Arbeit. Im Prinzip scheint die Vision Pro damit die verschiedenen Defizite bisherigen Produkte zu beheben – oder anders ausgedrückt: die Vorteile bisheriger Geräte zu einem Gerät zusammenzuführen. Potenziell wird mehr Effizienz, Genauigkeit und Qualität der Dienstleistungen möglich sein, dazu kommt eine interaktive und immersive Benutzererfahrung, nicht unerheblich für die Gestaltung des Arbeitsalltags von Technikern.
Wo liegen mögliche Defizite der ersten Apple Vision Pro?
Da fallen einem natürlich gleich mehrere potenzielle Probleme ein: Die Brille wirkt zunächst eher wie ein High-End-Consumer-Produkt. Apple präsentiert die Vision Pro in Videos und auf Websites bisher auch ausschließlich im privaten Umfeld von Nutzern – zum Business-Umfeld kann maximal die angedeutete Kompatibilität zu Teams, Zoom & Co. gelten.
Die Brille besteht aus einer großen Glasfläche – natürlich haben im Internet Memes mit gesplitterten Displays – der bekannte Spider-App-Effekt von Smartphones – nicht lange auf sich warten lassen. Es wird in der Tat davon abhängen, wie robust die Vision Pro sein wird, so dass sie im mitunter rauen (technischen) Service-Umfeld lange überleben kann.
Ein Manko könnte die Akkulaufzeit sein. Zwei Stunden sind angegeben, dann muss gewechselt werden. Immerhin wird eine Option mit Netzstecker erwähnt, so dass man bei langwierigen Einsätzen nicht fürchten muss, dass einem mitten in der Arbeit der Saft ausgeht.
Damit kommt man unweigerlich zum nächsten Aspekt – wie nutzerfreundlich wird das Tragen der Vision Pro gestaltet sein? Das Anpassen an Kopfformen und -größen wurde schon erwähnt, es wird aber in der Praxis auch entscheidend sein, wie hoch der Tragekomfort ist – visuelle Auswirkungen der Displayleistung, Gewicht der Brille und vieles mehr. Was aus arbeitspsychologische und gesundheitlicher Sicht mitzubedenken ist: Die Nutzung von AR-Brillen oder VR-Brillen wie der Apple Vision Pro kann unter Umständen Auswirkungen auf die Psyche der Anwender haben. Einerseits bieten diese Brillen eine immersive und fesselnde Erfahrung, die es den Benutzern ermöglicht, in virtuelle Welten einzutauchen und interaktive Inhalte zu erleben. Dies kann zu positiven Effekten wie erhöhter Kreativität, gesteigerter Konzentration und intensiven emotionalen Erlebnissen führen. Andererseits besteht auch das Potenzial für negative Auswirkungen wie Motion Sickness, die durch die Diskrepanz zwischen visuellen Reizen und dem fehlenden physischen Feedback verursacht werden kann. Es wird daher weiter wichtig sein, dass die Nutzung solcher Brillen bewusst und ausgewogen erfolgt, um die potenziellen Auswirkungen auf die Psyche zu berücksichtigen und das Wohlbefinden der Anwender zu fördern.
Und letztlich ist natürlich auch die Frage, wie hoch das Entwicklungspotenzial der Vision Pro sein wird – wie schnell kommt eine neue Version auf den Markt, wie groß ist der Technologiesprung, wie schnell ist die Pionier-Vision Pro veraltet?
Das ‚Pro‘ im Namen deutlich wohl an, dass es später auch ein Basis-Modell geben wird, analog zur iPhone-Produktfamilie. Das dürfte dann günstiger und technisch abgespeckt sein – je nach Anwendungsfall kann das dann ja schon reichen. Und wer weiß, möglicherweise kommt dann sogar eine explizite Brille für den technischen Service auf den Markt. Mehr dazu gibt es hier bei mobiFlip nachzulesen.
Von Michael Braun, KVD-Redaktion
Bildquellen:
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