New Work ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen und wird oft als Modebegriff abgetan, in den jeder seine eigenen Vorstellungen einbringen kann. Dennoch hat sich die Bedeutung und Akzeptanz dieses Konzepts in Unternehmen weitgehend stabilisiert. Wir haben das Thema in der Corona-Zeit mit unserem KVD-Whitepaper „New Service Work“ aufgegriffen. Und auch das New-Work-Barometer der SRH Berlin University of Applied Sciences zeigt, dass sich gerade mit Blick auf neue Arbeitsweisen und Agilität von Organisationen – übrigens auch im Service – etwas tut. Nur Frithjof Bergmann, ein Verfechter der sozialen Utopie, scheint in Deutschland an Relevanz zu verlieren. Dies mag bedauerlich sein, doch vielleicht hatte der im Jahr 2021 verstorbene New-Work-Vordenker mit seinem politisch-philosophischen Ansatz nur begrenzte praxistaugliche Impulse zu bieten.
Ganz spannend: In jedem New-Work-Barometer fragen die Forscher um Prof. Dr. Carsten Schermuly und Dr. Matthias Meifert vier verschiedene Verständnisse von New Work ab. Diese reichen vom schon erwähnten Frithjof Bergmann bis zum Verständnis, dass es sich bei New Work um Homeoffice handelt. Folgende Wortlaute wurden den Teilnehmenden der Barometer-Studie vorgelegt:
- Bergmann: „New Work hat das Ziel, das gegenwärtige Lohnsystem zu überwinden. Menschen sollen der Arbeit nachgehen, die sie wirklich, wirklich wollen und mit technologischer Unterstützung Produkte selbst herstellen, die sie zum täglichen Leben brauchen.“
- New Work Charta: „Jenseits isolierter Maßnahmen und Einzelmethoden konzentriert sich die Essenz von New Work in fünf Prinzipien, die sich im unternehmerischen Alltag widerspiegeln: Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und soziale Verantwortung.“
- Psychologisches Empowerment: „New Work sind verschiedene Maßnahmen, die die Zielsetzung haben, das psychologische Empowerment der Mitarbeitenden zu steigern; d h. das Erleben von Sinnhaftigkeit, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz am Arbeitsplatz.“
- Arbeitszeit- und Arbeitsortautonomie: „New Work beinhaltet vor allem Initiativen, die die Arbeitsort- und Arbeitszeitautonomie in Organisationen fördern. Durch New Work wird mobiles Arbeiten und Homeoffice in Organisationen ermöglicht.
Mit Blick auf Bergmann zeigt sich, dass die Idee der Abschaffung oder zumindest Reduzierung traditioneller Lohnarbeit bei vielen Unternehmensvertretern auf Widerstand zu stoßen scheint, da sie auf eine grundlegende Veränderung des Gesellschaftssystems hinausliefe. Trotzdem scheinen Menschen in Organisationen eine gewisse humanistisch orientierte Grundlage in Bezug auf dieses Thema wahrzunehmen, wie eine hohe Zustimmung zur New Work Charta und zum Empowerment-Verständnis zeigt, die konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis bereithalten.
Die Ergebnisse des New-Work-Barometers 2022 deuten darauf hin, dass das Thema New Work sich von den Auswirkungen der Coronakrise erholt hat. Während des Lockdowns war es für viele Unternehmen eine Herausforderung, neue Arbeitspraktiken zu etablieren, da entsprechende Budgets im Krisenmodus oft eingefroren wurden. Diese Blockade scheint sich jedoch mit der Lockerung der Coronamaßnahmen gelöst zu haben. Den beiden Forschern ist es wichtig zu betonen, dass New Work nicht auf Homeoffice beschränkt sein darf – das haben wir im KVD-Whitepaper ebenfalls so ausgeführt.
Was die Forscher auch herausgefunden haben: Unternehmen beschäftigen sich weiterhin mit Agilität und haben vor, dies auch in Zukunft zu tun. Agilität wird zunehmend als integraler Bestandteil von New Work betrachtet, auch wenn dies nicht allen New-Work-Enthusiasten gefalle, wie die Forscher sagen. Die Unklarheit des Begriffs, der New Work ähnelt, könne jedoch darauf hinweisen, dass es Raum für Weiterentwicklung gebe. Unternehmen setzen den Forschungsergebnissen nach weiterhin stark auf Agilität, möglicherweise auch aus Wettbewerbsgründen, wie die Forscher vermuten.
Schönes Beispiel aus dem Barometer: Die ING bezeichnet sich beispielsweise als „erste agile Bank Deutschlands“ und präsentiert diese Aussage auf ihrer Website neben Bildern von Menschen, die Turnübungen machen und als Clowns verkleidet sind. Zahlreiche Medien haben über die Transformation der ING berichtet. Doch was bei einem Unternehmen funktioniert, muss nicht zwangsläufig bei anderen Organisationen erfolgreich sein. Der Weg in die Zukunft der Arbeit und durch die volatile, unsichere, komplexe und mehrdeutige (VUCA) Welt ist vielfältig und bleibt es auch. Hier gibt es sicher noch viel zu tun, und auch wir als KVD werden da weiter engagiert bleiben.
Autor: Carsten Neugrodda, KVD-Geschäftsführer