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Die Corona-Pandemie hat das Thema Versorgungssicherheit mit neuer Dringlichkeit in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt. Mittlerweile ist auch dem letzten Stadtbewohner bewusst, dass derzeit ein enormer Zuwachs an Güterverkehr zu bewältigen ist. Parallel dazu werden Quartiere stetig nachverdichtet. Sie wachsen sowohl nach innen als auch nach außen und werden zu neuen  Dienstleistungszentren, die möglichst viele Services für die Bürger bereithalten. Unser aktuelles Konsumverhalten und unsere
Erwartungen an Same-Day-Delivery-Konzepte erhöhen das täglich zu bewältigende Paketaufkommen dauerhaft, das zudem immer kleinteiliger wird. Neue Formen urbaner Logistikkonzepte sind notwendig, die neben organisatorischen Herausforderungen vor allem politisch vorgegebenen Emissionszielen gerecht werden müssen.

Das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) bietet hinsichtlich wirtschaftlicher Stärke und wissenschaftlicher Tiefe die Bedingungen, um Lösungen für diese Herausforderungen zu entwickeln. Dadurch wird es möglich, mit schnellen Umsetzungsprojekten eine Vorreiterrolle im Bereich der urbanen Logistik einzunehmen und das Gelernte zu exportieren. Nur dann hat die Region Rhein-Ruhr und damit auch das Land NRW die besten Voraussetzungen, langfristig zur bedeutendsten Logistikdrehscheibe Europas zu werden. Vier Handlungsfelder sind in der urbanen Logistik entscheidend, um die Position im weltweiten Kampf um die Attraktivität eines Landes zu stärken. Innerhalb dieser Handlungsfelder müssen Innovationen vorangetrieben und ausprobiert werden.

Angepasste Infrastrukturen braucht das Land

Handlungsfeld 1: Dezentralisieren und Flexibilisieren

Mit Blick auf die Reduzierung der Emissionen im Lieferverkehr sind strategisch positionierte Depots und Logistikhubs in Stadtnähe erforderlich. Wenn es an vorhandenen Flächen für „echte City-Logistikhubs“ in den Stadtzentren fehlt, können semi-zentrale , also am Stadtrand gelegene Logistikhubs eine interessante Alternative darstellen. Big Boxes in der Peripherie der Städte bieten sich als Ergänzung für die Mikro-Depots in den Stadtzentren an. Für eine effiziente, nachhaltige und sichere Abwicklung der innerstädtischen Logistikprozesse werden gewisse Kapazitäten und Flächen in Form von Logistikimmobilien benötigt. Eine (Multi-Level-) Mischnutzung von Immobilien lässt neue Möglichkeiten und Chancen entstehen. Solche infrastrukturellen Maßnahmen und Konzepte schaffen ein neues Angebot, das es den Akteuren ermöglicht, dezentraler und flexibler zu agieren.

Digital in Zukunft erste Wahl – Automatisierung als große Chance

Handlungsfeld 2: Transparenz schaffen, Effizienz steigern

Automatisierung bzw. automatisierte Abläufe sind schon seit geraumer Zeit in der Logistikbranche etabliert. Darunter fallen automatisierte Beförderungstechniken wie Sortieranlagen, Transport auf Rollenbahnen oder simple Roboter zum Befüllen von Paletten. Aufgrund des rasanten technologischen Fortschritts kommt jetzt neu hinzu, dass Roboter flexibel und intelligent sind. Auf der mechanischen Ebene verfügen sie über viele Freiheitsgrade. Allerdings sind dabei auch notwendige Anpassungen zu beachten, unter anderem in der IT-Architektur, um ein reibungsloses Zusammenspiel von System, Menschen und Robotern zu gewährleisten. Neben den Anwendungsbereichen der Lagerhaltung und -kommissionierung in neuen Infrastrukturen können Roboter auch bei der Bewältigung der letzten Meile – also bis zum endgültigen Empfänger einer Leistung, eines Produkts – eingesetzt werden. Dieses Thema hat durch die Corona-Pandemie nochmals an Relevanz gewonnen. In Hamburg werden aktuell beispielsweise Corona-Schnelltests durch Roboter ausgeliefert und abgeholt, was das Infektionsrisiko deutlich verringert.

Die dritte Dimension – schnell, aber umstritten

Handlungsfeld 3: Entlasten und Geschwindigkeit erhöhen

Immer mehr KEP-Dienstleistungsunternehmen (Kurier-, Express- und Paketdienste) versuchen sich daran, in die Luft zu gehen anstatt überfüllte Straßen für die Güterauslieferung zu nutzen. Der erste Hype ist mittlerweile vergangen, auch weil deutlich wurde, dass Paketauslieferungen per Paketdrohne für die breite Masse schlichtweg (noch) nicht rentabel gestaltet werden können. Auch wenn sich auf Basis von ersten Feldtests abzeichnet, dass Paketdrohnen nicht die Universallösung für die Lieferverkehrsprobleme in den Städten sind, werden sie zukünftig für die Verteilung von zeitkritischen Gütern und Premiumprodukten eine Rolle spielen. Ein denkbares, wenn auch noch nicht in unmittelbarer Zukunft realisierbares Konzept, ist die Güterauslieferung via Air Transporter. Vermutlich werden aber auch die ersten standardisierten Air-Taxi-Routen für den Personentransport nicht vor 2025 Realität werden. Gesammelte Waren werden zukünftig nicht via Straßenverkehr in das Stadtzentrum gebracht, sondern auf  unterirdischem Weg. Der am Stadtrand gelegene Logistikhub ist hierbei mit dem im Stadtzentrum befindlichen Mikrohub durch ein eigenes Tunnelsystem verbunden, durch das die Waren automatisiert und ressourcenschonend in die Stadt transportiert werden.

Revolution auf der Straße – neue Fahrzeugkonzepte braucht das Land

Handlungsfeld 4: Emissionen reduzieren und Raum besser nutzen

Eine Konsolidierung der urbanen Logistik rückt ebenfalls immer mehr in den Vordergrund der urbanen Logistik. Viele Betriebe und Haushalte werden bis zu sechs Mal in der Woche, oft mehrmals am Tag, durch unterschiedliche KEP-Dienste und Speditionen beliefert. Zusteller fahren oft parallel, neben- und hintereinander zum gleichen Empfänger. Jedes Logistikunternehmen optimiert dabei die eigenen Prozesse und Lieferstrukturen. Eine gesamtheitliche und unternehmensübergreifende Steuerung und Organisation der Logistikströme findet nicht statt. Somit entstehen für Zusteller und für Empfänger zusätzliche Kosten. Unternehmen sind einem unkontrollierten Warenstrom unterworfen, der oft vermeidbare Personalkosten generiert. KEP-Dienste könnten beispielsweise durch Konsolidierung der Lieferungen enorme Synergien schaffen, dabei Personalkosten senken sowie Emissionen reduzieren und gleichzeitig die verkehrliche Raumauslastung optimieren. Ein innovatives Konzept für einen effizienteren, nachhaltigeren Güterverkehr ist das LKW-Platooning. Mehrere Fahrzeuge können dabei in sehr geringem Abstand hintereinander fahren, ohne die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen. Durch das Platooning wird eine signifikante Effizienzsteigerung im Gesamtplatoon erreicht, was die CO2-Emissionen erheblich senkt. Je mehr Fahrzeuge über die Technologie verfügen, desto effektiver trägt das Platooning zur Optimierung des Güterverkehrs bei. Trotz des hohen Automatisierungsgrads sind die LKW nach wie vor mit Fahrern besetzt, die das Steuer jederzeit wieder übernehmen können. Ein vielversprechender Ansatz wird mit Fahrzeugtechnologien verfolgt, bei denen die von LKW-Platooning bekannte Sensorik und Steuerungstechnologie auf kleine Logistikfahrzeuge mit der Grundfläche einer Europalette übertragen werden. Stückgutspediteure sind dabei auf die Hilfe der Forschung angewiesen, die beispielsweise einen optimalen Mix an Fahrzeugkonzepten und Energieträgern für LKW ermitteln oder Organisationsstrategien für Innenstadtlieferungen entwickeln kann. Hochschulen, Forschungsinstitute und Logistikdienstleister testen hierzu bereits konkrete Lösungsansätze, etwa emissionsfreie Liefergebiete für Stückgutsendungen oder eine bessere Nutzung der Tagesrand- und Nachtzeiten mit geräuscharmen Fahrzeugen. In den Quartieren werden darüber hinaus neben Lastenfahrrädern und emissionsfreien Kleinbussen im Sharing-Format neue Fahrzeugkonzepte benötigt, die heute noch ungeahnt sind.

Wo sollten wir ansetzen?

Voraussetzung für eine effiziente Einbindung von Logistikstandorten in die kommunale Infrastruktur ist ein enger Informationsaustausch zwischen der Kommunalverwaltung sowie den Nutzern und Betreibern von Logistikimmobilien. Einerseits müssen Anforderungen und Kriterien der Kommunen transparent sein, andererseits sollte die Rolle der Logistikbranche als wichtiger Arbeitgeber herausgearbeitet und das Potenzial einer durch die Ansiedlung von Logistikunternehmen wachsenden regionalen Wertschöpfung verdeutlich werden. Dies würde sowohl zu einer Effizienzsteigerung für die einzelnen KEP-Dienstleister führen, als auch dem Problem der mehrfach zurückgelegten identischen Wege durch verschiedene KEP-Dienstleister entgegenwirken. Darüber hinaus ließe sich der Einzelhandel in die urbane Logistik integrieren. Ein „Storage-in-Storage“-Konzept, wie wir es bereits aus den heute etablierten Shop-in-Konzepten kennen, könnte das Geschäftsmodell für alle Beteiligten rentabel machen. Grundsätzlich ist es erforderlich, alle neuen Konzepte und Ansätze in einer realen Umgebung zu erproben. Aus dem so entstehenden praktischen Know-how lassen sich Handlungsempfehlungen ableiten.

Was nun? – Gemeinsam auf angestoßenen Initiativen aufbauen!

In NRW und speziell in der Region Rhein-Ruhr gibt es die besten Voraussetzungen, um die bevorstehende Transformation der urbanen Logistik zu stemmen. Durch eine gute Gesamtkonfiguration bestehender und neue Ansätze kann NRW seine Vorreiterrolle halten und ausbauen sowie neue – im Vergleich zu heute – bessere Antworten finden, um Emissionen zu reduzieren sowie den Anforderungen einer Same-Day-Delivery zu entsprechen. Die im Rahmen der Entwicklungen entstehenden Standorte haben die Chance deutlich automatisierter als bisher zu funktionieren, was den Betrieb zu reduzierten Kosten ermöglicht und damit wirtschaftlich funktionieren kann. Logistikimmobilienentwickler, Automatisierungsspezialisten und KEP-Dienstleister müssen an einem Strang ziehen. Nur eng verzahnt können sie neue Rahmenbedingungen entwickeln, durch die bestehende Prozesse und Vehikelkonzepte zusammen mit den zukünftigen „Logistikautomaten“ funktioneren.

Autoren: Dr. Gerhard Gudergan, Dr. Denis Krechting & Maximilian Dicks

Beitrag aus der aktuellen ServiceToday zu „Wertschöpfungspotenziale durch Everything-as-a-Service.

/ KVD SERVICENEWS

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